Textilien aus einer speziellen Faser versprechen gesundheitsfördernde Wirkungen, Steigerung des Wohlbefindens und verbesserte sportliche Leistung. Ich habe mir angesehen, wie solche Produkte funktionieren sollen und ob sie halten, was sie versprechen.
Erster Eindruck
Ich bin mit solchen Produkten über Paljari, eine italienische Multi-Level-Marketing-Firma, in Kontakt gekommen. Typisch für solche Vertriebsformen ist der überteuerte Verkauf von umstrittenen Produkten, die sich ohne die persönliche Überredung nur schwer verkaufen ließen. Dieser Strukturvertrieb bietet neben Gesundheitstextilien auch Nahrungsergänzungsmittel in Form von Vitalpilzen an. Aus der Paljari-Hochglanzbroschüre lächelt ein italienischer Doktor der Alternativmedizin, und es wird die Heilung einer Vielzahl an unterschiedlichen Erkrankungen versprochen. Das alles macht auf den ersten Blick mal keinen seriösen Eindruck.
Gesundheitsversprechen
Auf der Website der Firma Paljari findet man einen Werbetext, der sich in derselben Form auch auf den Seiten von selbstständigen Verkäufern findet. Dort wird erklärt, dass die sogenannte Nexus-Faser in den 1980er-Jahren von einem japanischen Forscher für die Weltraumforschung entwickelt wurde. Später sei ihre gesundheitsfördernde Wirkung erkannt worden, für die spezielle Infrarotwellen verantwortlich sein sollen:
- Stärkung der Immunabwehr
- erhöhte Sauerstoffzufuhr
- entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung
- bakterienhemmende Wirkung
- Tiefenwärme erhöht den Stoffwechsel
Auch eine Palette reich an Anwendungsgebieten wird angegeben:
- Rückenschmerzen, Ischias und Schmerzen im Bewegungsapparat
- Muskel- und Gelenksschmerzen und zur Schmerzlinderung
- zum Entschlacken und Entgiften, begleitend zu Fastenkuren
- zum Aufwärmen vor dem Sport und zum Regenieren nach dem Sport
- zum Wohlfühlen und Entspannen
- Arthritis, Rheuma und Gicht
- Grippe, Erkältung und chronische Bronchitis
- Darmbeschwerden
- Ekzeme, Akne und Neurodermitis
- Herz- und Gefäßerkrankungen
- Hals-, Nasen- und Ohrenbeschwerden
- Durchblutungsstörungen und schwaches Immunsystem
- Zur Vorbereitung therapeutischer Maßnahmen wie zum Beispiel Massagen
Angeblicher Wirkmechanismus
Erklärt wird das alles durch spezielle Infrarotwellen im Wellenlängenbereich von 4-14 Mikrometer (Bio-Infrarot, Ferninfrarot, FIR, far infrared radiation, biogenetic rays). Die Nexus-Faser strahle kontinuierlich natürliches Infrarot ab, das in Resonanz zu Wassermolekülen trete, behauptet ein Anbieter.
Als Ferninfrarot-Therapie werden in der Alternativmedizin Wärmebehandlungen mit pseudowissenschaftlicher Argumentation beworben. Es handelt sich um eine herkömmliche Wärmebehandlung mit Wärmestrahlern. Von einer Tiefenwärme kann man nicht sprechen – Wärmestrahlung im genannten Wellenlängenbereich tritt weniger als 1 Millimeter in die Haut ein.
Doch woher stammt überhaupt die Energie für diese Strahlung? Die Nexus-Faser wird zwar als „Nexus Energy Source“ bezeichnet, aber um ein Perpetuum Mobile wird es sich wohl nicht handeln. Die Kleidung muss nicht vorgewärmt werden, und die Umgebungstemperatur ist üblicherweise niedriger als die Körpertemperatur. Eine plausible Erklärung wäre, dass die Energie von der Wärmestrahlung der Person stammt, die die Kleidung trägt.
Beispiel Rettungsdecke
Eine Rettungsdecke wird in der Ersten Hilfe verwendet, um Patienten vor Unterkühlung zu schützen. Diese besteht aus einer wasserdichten PET-Folie und einer reflektierenden Aluminiumschicht. Der Erhalt der Körperwärme beruht nicht auf Isolierung, sondern basiert auf Minderung des Wärmetransports durch
- Reflexion der Wärmestrahlung
- luftdichtes Abschließen (reduziert den Wärmeverlust durch Wind und Aufsteigen warmer Luft durch Konvektion)
- Wasserdampfsperre (reduziert Wärmeverlust durch Verdunstung)
Bei hohen Außentemperaturen kann man damit auch eine Person vor Überhitzung schützen, indem man die Sonnenstrahlung abschirmt. (Der Unterschied zwischen der silberfarbenen und goldfarbenen Seite ist dabei übrigens vernachlässigbar.) Für eine Reflexion der Wärmestrahlung eignen sich besonders metallische, hochglanzpolierte, glatte Oberflächen.
Wärmende Kleidung
Kleidung wärmt uns normalerweise durch Isolierung. Luftige Kleidung, aber auch Federn und Haare speichern viel Luft, die als Isolierung dient. Für den Outdoor-Bereich gibt es aber auch Funktionskleidung, die nach dem Prinzip der Rettungsdecke funktioniert und eine dünne Aluminiumfolie eingearbeitet hat. Vor kurzem konnte ein Forscherteam zeigen, dass Kleidungsstoffe mit Nanodrähten Körperwärme effizient speichern können. Hier reflektiert ein dichtes Netzwerk aus Silbernanofasern die Körperwärme. (Dank der Leitfähigkeit könnte man sogar eine Stromquelle anschließen und so das Kleidungsstück aufheizen.) Ist das auch bei Nexus der Fall?
Aufbau des Nexus-Gewebes
Das Nexus-Gewebe besteht aus reiner Baumwolle, in das lediglich ultrafeine Partikel der Metalle Platin, Titan und Aluminium eingearbeitet wurden. Das Gewebe ist sehr porös und mit einem dichten Nanonetzwerk auf keinen Fall vergleichbar. Effekte durch Reflexion, Luft- und Dampfsperre fallen beim dargestellten Aufbau wohl sehr bescheiden aus. Beruht die angebliche Wirkung doch nur auf Wärmeerhalt durch simple Isolierung, wie bei normaler Kleidung?
Wissenschaftliche Studien
Der Hersteller wirbt auf seiner Website nicht nur mit Testimonials sondern auch mit Studien zu den Anwendungen in Sport und Medizin, der Sicherheit sowie zur antibakteriellen Eigenschaft, geizt aber mit genaueren Informationen zum Versuchsaufbau. Dass man mit schlechtem Studiendesign und geringen Probandenzahlen leicht zum gewünschten Ergebnis kommt, ist nichts Neues. Die medizinischen Studien werden sogar als „preliminary studies“, also Vorstudien ausgewiesen. Ein Vorher-Nachher-Vergleich der Körpertemperatur (keine Kleidung vs. Nexus-Kleidung) zeigt eindrucksvoll, dass Kleidung wärmt.
Wärmerückführung bei Wund(er)pflastern
Auf Medizin-transparent.at, einem Projekt von Cochrane Österreich, wird in einem aktuellen Artikel die Evidenz zu speziellen Pflastern untersucht, die mit einer langen Liste an Versprechungen und Erfahrungsberichten beworben werden. Behauptet wird, ähnlich wie bei den hier behandelten Gesundheitstextilien, dass das Element Germanium für eine besondere Art der Rückführung der Wärme an den Körper sorgt. Das Team von Cochrane Österreich konnte für den Nutzen des am Pflaster aufgebrachten Halbmetalls Germanium keine stichhaltigen Belege finden und kommt zum Schluss:
Dass es am Pflaster Wärme an den Körper zurück gibt und damit die Durchblutung verbessert, ist ebenfalls nur eine Behauptung. Zwar zeigt der Hersteller Vorher/Nachher-Bilder mit einer Wärmekamera, doch ohne eine genaue Dokumentation und Kontrolle durch Außenstehende ist das völlig wertlos.
Wasserbelebung
Anscheinend werden hier banale Kleidungsstücke mit pseudowissenschaftlicher Argumentation und übertriebenen gesundheitlichen Versprechen vermarktet. Die Hersteller gehen sogar noch weiter und behaupten, dass man mit Nexus Wasser beleben kann! Unter einer eigenen Marke wird ein Flaschenbezug angeboten, der belebend wirken soll. Dabei wird auf den Biologen Roger Coghill verwiesen, der von Ben Goldacre bereits als Pseudowissenschafter überführt wurde.
Ähnliches Produkt: Celliant
Ein ähnliches Produkt wird unter dem Namen Celliant oder Holofiber vertrieben. Dieses besteht aus PET-Fasern mit optisch aktiven Partikeln, die mit vom Körper ausgesendeten Infrarot interagieren. Das Gewebe wird bei uns in Form von Matratzen und Bettzeug verkauft und soll dem Körper im Schlaf Energie zurückgeben. Als Energiespender sollen unter anderem Naturmineralien wie Titan, Silizium und Aluminium fungieren. Auch diese Produkte sollen ihre Wirkung durch Reflexion von Infrarotstrahlung des Körpers entfalten. So direkt wird das natürlich nicht gesagt, sondern mit wissenschaftlich klingenden Ausdrücken ausgeschmückt und umschrieben (thermoreaktive Mineralien, ein vom Stoffwechsel angetriebener Hybridmotor, eine effektive erneuerbare Energiequelle). Auch Vorgänge im Körper, die einfach nur mit Wärme zu tun haben, werden mit dem Produkt in Verbindung gebracht. Es wird einem die eigene Körperwärmestrahlung verkauft! In Österreich sind Celliant-Produkte bei Partys der Firma RudH erhältlich, die auch ein Gerät zur wirkungslosen Magnetfeldtherapie im Programm hat.
Celliant/Holofiber wurde bereits im Skeptics Dictionary Newsletter als „Scam of the minute“ gewürdigt, nämlich für die Behauptung:
Holofiber® material modifies the spectrum of visible and invisible light, interacting with certain wavelengths, and altering them into energy. When Holofiber® is worn as clothing, or placed near a person (in a bed sheet or pillowcase) it transmits the altered energy to the body. This energy sent to the body by Holofiber® helps the body’s cells to be better oxygenated. Good for diabetics and people with skin problems.
Auch ein Artikel in der New York Times beschäftigt sich mit der Holofiber-Technologie und meint, dass es fast zu gut klingt, um wahr zu sein. Man wundert sich, warum Kleidung, die gut für Sportler und Diabetes-Patienten sein sollen, solche Ladenhüter bleiben, obwohl sie seit Jahren am Markt sind. Ein Grund könnte der hohe Preis sein, weshalb höchstens Hersteller im hochpreisigen Segment Holofiber in ihre Produkte einbauen würden. Beim Marketing weiß man nicht so recht, ob man es in erster Linie an Sportler oder Diabetes-Patienten vermarkten soll. Die American Diabetes Association, der oft vielversprechende Produkte vorgestellt werden, ist nicht überzeugt und auch der Autor einer medizinischen Pilotstudie gibt zu, dass er nicht weiß, wie das Produkt wirken soll. Sportler wären zwar leichter zu überzeugen, doch der Weg vom Sportmarkt in den medizinischen Markt ist schwieriger als andersrum. Der Erfinder bleibt dennoch optimistisch: Auch er wollte anfangs nicht glauben, dass mit einer Akupunkturbehandlung an der Hand sein Augenleiden geheilt werden konnte. Aber schlussendlich sei Akupunktur heute akzeptiert – und er ist überzeugt, dass es bei Holofiber auch so sein wird.
Ein weiteres Produkt namens FIR-TEX wirbt mit demselben pseudowissenschaftlichen Bullshit.