Bioresonanz in der Ernährungsberatung

Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind derzeit ein großes Thema. Auch wenn es nur wenige Menschen tatsächlich betrifft, halten sich viele Menschen für laktoseintolerant oder ernähren sich glutenfrei. Für die Lebensmittelindustrie sind solche Produkte ein gutes Geschäft, wie in der Sendung Quarks & Co gezeigt wurde.

Ein Grund für die vielen Fehldiagnosen ist bei Heilpraktikern und Energethikern zu suchen, die ihren Kunden mit pseudomedizinischen Diagnoseverfahren Intoleranzen aufschwatzen – und dann mit einer passenden Pseudotherapie gleich doppelt verdienen.

Ein beliebtes Verfahren ist die Bioresonanz. Der Patient nimmt zwei Elektroden in die Hand, über die Körperschwingungen an ein Gerät übertragen werden, das pathologische Schwingungen in gute Schwingungen umpolen soll. Auf diese Weise könnten Krankheiten geheilt werden, meinen die Befürworter. Das Problem: Bei dem Gerät handelt es sich mehr oder weniger um eine Attrappe. Die Wirksamkeitsversprechen halten einer Überprüfung nicht stand. Eine zuverlässige Diagnose ist nicht möglich, es werden reine Zufallstreffer erzielt.

Die fehlende Wirksamkeit ist kein Hindernis, dieses Verfahren wird gerne in der Ernährungsberatung angewendet und fürstlich entlohnt. Doch man findet auch Ernährungsinstitute, die kritisch dazu Stellung nehmen und Bioresonanz ablehnen. Physiker und Science Buster Heinz Oberhummer meint in der ZIB 2: „Wer daran glaubt, ist ein Fall für die Psychotherapie und wer damit Geld verdient, ist ein Fall für den Staatsanwalt.“

(ZIB 2 vom 25.04.2013, 22 Uhr)

Ist rechtlich alles in Ordnung?

In Österreich kann Ernährungsberatung von verschiedenen Berufsgruppen angeboten werden:

  • Der medizinische Bereich ist Ärzten und Diätologen vorbehalten. Nur diese dürfen kranke und krankheitsverdächtige Personen behandeln.
  • Die nicht-medizinische individuelle Ernährungsberatung steht auch Ernährungswissenschaftern offen. Diese haben Ernährungswissenschaften studiert und dürfen ausschließlich gesunde Menschen beraten. Der entsprechende Gewerbeschein lautet auf „Lebens- und Sozialberatung, eingeschränkt auf Ernährungsberatung“.
  • Auch Energethiker bieten häufig Ernährungsberatung an. (Diese müssen keinerlei Ausbildung vorweisen, es handelt sich um das „freie Gewerbe der Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit“.) Dies ist nur dann zulässig, wenn es sich nicht um eine individuelle Beratung bei persönlichen Ernährungsproblemen handelt, sondern um eine allgemeine Vermittlung von Kenntnissen oder einfache Tätigkeiten wie Kochkurse und Kalorienzählen. Energethiker verwenden gerne den gesetzlich nicht geregelten Begriff „Coaching“ dafür.

Auch wenn die Kompetenzen und erforderlichen Qualifikationen klar geregelt sind, kommt es immer wieder zu einer Überschreitung der Befugnisse, etwa wenn Energethiker mit der Heilung von Krankheiten durch individuelle Ernährungstherapie werben.

Man findet auch zahlreiche Ernährungswissenschafter, die zusätzlich zur Ernährungsberatung das freie Energethiker-Gewerbe angemeldet haben und damit Bioresonanz anbieten. Das sehe ich problematisch, da der Bioresonanz dadurch ein wissenschaftlicher Anstrich verliehen wird. (Diätologen dürfen das nicht, sie müssten mit Konsequenzen rechnen.)

Brief an den VEOE

Ich habe daher an den Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs einen Brief geschrieben, um auf das Problem der Vermischung von Ernährungswissenschaft und Humanenergetik hinzuweisen, und nachgefragt, wie der Verband zu solchen Praktiken steht:

Sehr geehrte Damen und Herren!

ErnährungswissenschafterInnen gelten als ExpertInnen in Ernährungsfragen. Wir ich nun leider feststellen musste, werden sie ihrem wissenschaftlichen Anspruch aber nicht immer gerecht.

Eine Bekannte erzählte mir von Lebensmittelverträglichkeiten, die sich bei ihrer Familie und ihren Freundinnen ausbreiten würden. Diese seien alle professionell von einer Ernährungswissenschafterin ausgetestet worden, und zwar mit Bioresonanz (einem bekanntermaßen pseudowissenschaftlichen Verfahren). Bei ihr sei beispielsweise eine Glutenunverträglichkeit diagnostiziert worden – ein rotes Lämpchen habe das angezeigt. Sie habe mehrere 100 Euro dafür und für weitere Detox-Behandlungen zur Ausleitung von Schadstoffen bezahlt.

Die betreffende Ernährungswissenschafterin hat sowohl das Gewerbe der Lebens- und Sozialberater (eingeschränkt auf Ernährungsberatung) als auch das Energetiker-Gewerbe angemeldet.

Das Ernährungsberatung-Gewerbe befähigt zur Beratung von gesunden Menschen. Als Energetiker darf man Wohlfühl-Behandlungen ohne belegte Wirksamkeit ebenfalls nur als Hilfestellung an Gesunden durchführen.

Angeboten wird von betreffender Ernährungswissenschafterin ein Gesamtpaket von Bioresonanzanalyse und Ernährungsberatung entsprechend den diagnostizierten Unverträglichkeiten. Dazu erlaube ich mir, folgende Fragen an Ihren Verband zu stellen:

Die medizinische Beratung in Ernährungsfragen ist DiätologInnen vorbehalten. Überschreitet die Ernährungswissenschafterin mit der Diagnose und Therapie von Lebensmittelunverträglichkeiten ihre Kompetenzen?

Die Anwendung der Bioresonanz ist zwar durch das Energetiker-Gewerbe gedeckt, jedoch nicht in der Lage, Lebensmittelunverträglichkeiten festzustellen. Somit werden ohnehin nur Schein-Erkrankungen therapiert. Sehen Sie ein Problem in der Vermischung von wissenschaftlicher mit pseudowissenschaftlicher Praxis und finden Sie, dass dies dem Ansehen Ihres Berufsstandes schadet?

Da ernährungswissenschaftliche Beratung und Wohlfühlbehandlungen gemeinsam angewendet werden, fällt es Laien schwer, unwirksame Methoden als solche zu erkennen. Unter dem Deckmäntelchen der Ernährungswissenschaft werden Bioresonanz und andere Scheinverfahren teuer angeboten.  Billigt Ihr Verband solche Praktiken, oder spricht er sich dagegen aus und geht auch dagegen vor?

Einige Wochen später konnte ich dann sehen, was der Verband erwirkt hat. Auf der Website der betreffenden Ernährungswissenschafterin findet man nun einen rechtlichen Hinweis:

Die Bioresonanz und energetische Behandlungen im Allgemeinen sind keine Arbeitsmethoden im Sinne der empirischen Naturwissenschaften, daher von der Wissenschaft nicht anerkannt. Es handelt sich bei den von mir angebotenen Behandlungen nicht um medizinische Therapien. Daher stellen sie keinen Ersatz für ärztliche Diagnose und Therapie dar. Bitte wenden Sie sich für die Erstellung einer Diagnose und für Therapie an Ihren Arzt.

Die Begriffe Heilung, Bioresonanztherapie, Therapie und Behandlung werden auf dieser Webseite ausschließlich im energetischen Sinn verwendet. Ich bin Ernährungberaterin und Energetikerin und biete daher Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit mittels Bioresonanz, Ernährungsberatung und Mykotherapie (Heilen mit Pilzen) an.

Dass diese Angaben in krassem Widerspruch zu den restlichen Informationen stehen, wird wohl nur die wenigsten Kunden stören. Doch dieser Hinweis reicht als Freibrief, um als studierter Ernährungswissenschafter schamlos Bullshit verbreiten und verkaufen zu können.

Ein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar