Ich habe mir die Scientology-Doku „Going Clear: Scientology and the Prison of Belief“ angesehen. Bisher hatte ich mich noch nicht sehr mit den Praktiken dieser Gruppierung beschäftigt, doch ein persönliches Erlebnis hat mein Interesse geweckt. Nachdem ein Freund beim MLM-Unternehmen Amway eingestiegen ist, habe ich mich zu diesem Thema intensiv informiert, und immer wieder von scientology-ähnlichen Praktiken gelesen, die Amway vorgeworfen werden. Parallelen zwischen den beiden Organisationen möchte ich in diesem Beitrag herausarbeiten.
- Beide basieren auf einem totalitären Kult und verehren ihre Gründer. Sie versprechen ein glückliches Leben und geschäftlichen Erfolg, wenn man nur die Vorgaben der Organisation befolgt. Auch wenn sich Scientology zwecks Steuerbefreiung als Kirche darstellt, geht es dennoch um’s Geschäft. Ein Religionscharakter wird von Fachleuten verneint, da Scientology bewusst als eine Religion konstruiert wurde.
- Beide gerieren sich als Weltverbesserer. Bei Scientology soll man durch die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu geistiger Freiheit gelangen und so zur Weltelite aufsteigen. Amway will durch ihr „faires“ Geschäftsmodell nicht nur den Mitgliedern zu Reichtum verhelfen, sondern auch die Welt zu einem besseren Ort machen.
- Scientology verkauft Auditings und Kurse als „Brücke zur totalen Freiheit“. Je höher die erreichte Stufe ist, umso mehr Geld wird einem aus den Taschen gezogen. Statt Freiheit erwartet einen die Sklaverei. Auch bei Amway dreht sich das eigentliche Geschäft weniger um Produkte sondern um teure Schulungen und Unterlagen, die den Mitarbeitern aufgedrängt werden, da man nur mit ihnen zum Erfolg gelangt. Man findet viele solcher Tools auf eBay, die von Aussteigern verscherbelt werden.
- Publikationen vom Scientology-Gründer L. Ron Hubbard werden als heilige Schriften verehrt. Auch bei Amway gibt es einen Kult um Motivationsbücher und CDs von führenden Persönlichkeiten, die ihre Geheimnisse preisgeben und einen so zum Erfolg führen sollen.
- Sind die Menschen erfolgreich, haben sie das alles Scientology bzw. Amway zu verdanken. Sind sie es nicht, sind sie selber schuld, weil sie nicht hart genug gearbeitet haben, nicht an die Sache geglaubt haben, zu wenig Kurse besucht haben oder negative Gedanken gehabt haben – wird ihnen eingeredet.
- Bei pompösen Veranstaltungen wird der Erfolg der eigenen Organisation und das Glück der Mitglieder zur Schau gestellt. Führende Persönlichkeiten oder Promis erwecken den Eindruck eines luxuriösen Lebensstils und umfassenden Lebensglücks. Die eigenen Mitglieder jubeln euphorisch, immer wieder gibt es tosenden Applaus. Für jede erreichte Stufe werden Mitglieder auf der Bühne vor den anderen geehrt. In der Hoffnung auf Anerkennung werden sie motiviert, Kurse zu besuchen und Umsatz zu generieren. Bei wöchentlichen Treffen werden die Mitglieder auf die gemeinsame Sache eingeschworen. Dabei ist immer lächeln angesagt, negative Gedanken sind verboten.
- Beide Organisationen sind streng hierarchisch organisiert und werden durch Missionierungsarbeit am Leben erhalten. Dabei werden auch Freunde und Familienmitglieder angesprochen. Man glaubt daran, den angeworbenen Mitgliedern etwas Gutes zu tun. In der Hoffnung auf den eigenen Erfolg arbeiten die Mitglieder um einen Gotteslohn für die Organisation und sorgen so für einen steten Nachschub an neuen Mitgliedern, die wiederum anwerben. Dabei werden Menschen oft in einer wirtschaftlich oder sozial schwierigen Lebensphase angesprochen, da sie in dieser Situation eine besonders leichte Beute darstellen. Später werden die Manipulierten selbst zu Manipulierern.
- Beschönigende Sprache findet man als Elemente in beiden Organisationen. Scientology spricht zum Beispiel bei seinen Strafbestimmungen für unfolgsame Mitglieder von „Ethics“. Amway nennt das Anwerben neuer Mitglieder als „sponsern“, obwohl das neu „gesponserte“ Mitglied bezahlt und frisches Geld in das System pumpt! Der Sponsor „hilft“ nur mit seiner Erfahrung.
- Beide nehmen massiv Einfluss aufs Privatleben der Mitglieder. Diese sollen sich nur mit Freunden innerhalb der Organisation abgeben, um schädliche Einflüsse von Außen fernzuhalten. Zu Kritikern („Suppressive Persons“) soll man den Kontakt abbrechen, auch wenn es sich um Familienmitglieder handelt, und sich ganz dem Glauben an den eigenen Erfolg widmen. Amway ist bedacht, Mitglieder immer als Pärchen aufzunehmen, um auf weniger Widerstand zu stoßen. Ist ein Partner skeptisch, wird dem aktiven Mitglied auch schon mal eine Trennung nahegelegt, denn einen Partner findet man wieder, so eine Geschäftschance nur einmal!
- Nach einem Austritt stehen ehemalige Mitglieder oft vor dem finanziellen und sozialen Ruin. Frühere Freunde hat man durch Missionierungsversuche verärgert, „Freunde“ aus der Organisation sind angewiesen den Kontakt abzubrechen bzw. nicht interessiert, da man fürs Geschäft nutzlos geworden ist.
- Scientology und Amway geben aus Marketinggründen Engagement für „die gute Sache“ vor und bewerben dies. Amway setzt sich etwa für Umweltschutz ein führt Spendenaktionen durch.
- Und zu guter letzt: Sowohl Scientology als auch Amway stehen aufgrund ihrer Geschäftspraktiken immer wieder in der öffentlichen Kritik und müssen sich des öfteren vor Gerichten verantworten.
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